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Spektrum Shake-speare

Hintergrund 154 existenz, ein Maskenwesen. Freilich hat der König in Anbetracht seiner Rolle allen Grund, den Blick auf das Sein zu verstellen. Um seine Auto- rität zu bewahren, ist es unerlässlich, dass seine Bluttat unaufgedeckt bleibt. 10. Der Geist entlarvt die Welt von Helsingör als trügerische, verstellte Welt »out of joint«.5 Indem er König Claudius als Mörder beschuldigt, hebt er die gesamte Hofwelt aus den Angeln und stellt sie als Maskerade hin, in der alles anders ist, als es scheint. Hamlet muss sich nun gewissermaßen in einem Maskenspiel behaupten. Die Hofwelt ist durch dieAussage des Geistes in zwei Welten geteilt worden, eine sichtbare, die falsch ist, und eine unsichtbare desVerdachts, die angeblich wahr ist. Für Hamlet stellt sich somit die Aufgabe, die Wahrheit der Erscheinungen herzustellen. Wirkt der Prinz einer tatsächlichen Angleichung von Wahrheit und Er- scheinung entgegen, so ist sein Widersacher Claudius bemüht, eine Übereinstimmung bloß vorzutäuschen. Die weitere Handlung durchzie- hen verschiedene Spielweisen der Simulation, die mit einer Verdoppe- lung der Wahrnehmungsebenen spielen. Claudius spielt weiterhin den Unschuldigen und tut so, als ob er nichts verbrochen hätte. Er dissimu- liert somit sein wahres Äußeres, er macht sich seinem wahren Selbst, dem eines Mörders, unähnlich. Demgegenüber spielt Hamlet denWahn- sinnigen, er gleicht seinVerhalten dem einesWahnsinnigen an, das heißt, er assimiliert sein Äußeres an ein anderes Äußeres. Der Widerspruch eines wahnsinnigen Intellektuellen Hamlet findet wohl eine ebenso drastische Entsprechung bei Claudius als mörderischem König, mit dem wichtigen Unterschied jedoch, dass Hamlet bloß spielt. 11. Die Schauspieler, die am Hof von Helsingör auftreten, bilden den drit- ten Bereich der Assimilation. Ihr Beruf hat grundsätzlich mit einem Sich-ähnlich-Machen zu tun; im Rollenspiel sollen sie ihr Verhalten ge- mäß den Vorgaben eines Autors einer fiktiven Figur angleichen. Diese Möglichkeit der Schauspieler und des Theaters, sich etwas Fiktivem an- 5 William Shakespeare, Hamlet. Prince of Denmark, hrsg. von Philip Edwards (The New Cambridge Shakespeare), Cambridge 1985, S. 114. Bei Shakespeare wird das Bild des Aus-dem-Rahmen-Fallens allerdings auf die Zeit angewen- det: «The time is out of joint: O cursed spite, that ever I was born to set it right» (1. 2 189–90).

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