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Spektrum Shake-speare

Hintergrund 148 haltungsprogramm für eine Hochzeitsgesellschaft durchaus eine Provoka- tion darstellen. «Liebe bedeutet hier: ‹Neigung, im Auge erzeugt›. Das Herz hat da nichts zu suchen,» hat Wystan HughAuden, der große englische Dich- ter des 20. Jahrhunderts, einmal konstatiert, «denn diese Welt wird vom Wunsch, nicht vom Willen regiert. Im Sommernachtstraum kommt es nicht darauf an, wer zuletzt wen heiratet, solange die Abenteuer der Liebenden ein gefälliges Muster bilden.» Das amouröse Wechselspiel im Sommernachtstraum zeichnet sich durch die absolute Plötzlichkeit, die völlig überraschende Verwandlung aller Be- gierden aus. Die Gesetze der Logik scheinen außer Kraft gesetzt. Mit Ver- nunft ist diesen Wirrnissen, die gleichzeitig auch mit den heimlichen Sehn- süchten der Protagonisten zu tun haben mögen, nicht beizukommen. Wie sich bei Ovid die Maulbeeren aus Trauer über den Tod von Pyramus und Thisbe von Weiß zu Schwarz färben, wie im Stück selbst Amors Pfeil die weiße Blume verwundend sich röten lässt, so augenblicklich «verlieben» sich Demetrius und Lysander neu, so augenblicklich schmilzt Titania beim An- blick Zettels als Esel dahin. Zwar werden ihre Augen von Oberon und Puck jeweils vom Zaubersaft der Blume «Lieb-im-Wahn» beträuft, doch fällt auf, dass Lysanders Neigungswechsel passieren, nachdem ihm Hermia einen an- deren Schlafplatz zugewiesen hat und nachdem sich herausgestellt hat, dass er bei Helena definitiv keine Chance hat. Auch Demetrius wendet sich He- lena wieder zu, nachdem Hermia ihn wüst beschimpft hat. Wie der Liebes- trank in der Geschichte von Tristan und Isolde, lässt sich der Liebesblumen- zaubersaft im Sommernachtstraum auch als bloße Chiffre für tiefe und unbe- wusste Regungen begreifen. Das Paar Zettel und Titania profitiert für diese Nacht von seinen jeweili- gen Verwandlungen. «Dass Titania auch einen Esel herzen kann», hat Karl Kraus einmal pointiert bemerkt, «wollen die Oberone nie verstehen, weil sie dank einer geringeren Geschlechtlichkeit nicht imstande wären, eine Eselin zu herzen. Dafür werden sie in der Liebe selbst zu Eseln.» Zettels äußere Mutation geht in gegenläufiger Weise zudem einher mit verblüffender inne- rer Wandlung: Mit einem Mal ist er tatsächlich geistreich und weiß nun aus- gerechnet als Esel sich zu benehmen und gewandt auszudrücken. Und noch ein anderes hat es mit dieser Liebesnacht auf sich: Es kommt nicht nur zur Vereinigung eines Feenwesens mit einem Huftier, es teilen sich auch eine Königin und ein Arbeiter das Bett und finden dort für kurze Zeit ihr Glück.

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