Hintergrund 152 unsicheren Empirie ab. Marcellus und Barnardo berichten, der Geist seines Vaters sei von Kopf bis Fuß »gewappnet»erschienen, »Armed [...] from head to foot» (1.2.226 f.). Hamlet muss annehmen, dass der Geist einer gesichtslosen wandelnden Rüstung gleicht. Doch die Wachen be- kräftigen, sie hätten sein Gesicht gesehen, denn er hatte dasVisier hoch- geklappt. »Oh yes my lord, he wore his beaver up» (1.2.228 f.). Der Geist trägt jedenfalls einen Schutzhelm, und es wird offensichtlich mit dem unscharfen Bild eines Helms mit ausgeschnittenem Blickfeld gespielt: das Bild eines maskierten Schauspielers. 6. Hamlet will das wahre Gesicht seines Vaters erkennen, und er will das wahre Gesicht seinen Onkels erkennen. Doch in beiden Fällen ist die Erkennbarkeit des vermeintlich wahren Ausdrucks eingeschränkt. Und nur aufgrund dieser ungenauen Sinnesdaten hat Hamlet zwei grundle- gende Fragen zu beantworten: Hat der Geist tatsächlich das Gesicht sei- nesVaters? Und verrät der Gesichtsausdruck des Onkels tatsächlich den Heuchler? Der Prinz ist als Physiognomiker wie auch als Pathognomi- ker (vgl. Kap. 17) gefordert. Hamlet sieht sich in die paradoxe Lage ver- setzt, seine Wahrnehmungen mit seinem Wissen und seinem Unwissen in Einklang zu bringen. Hamlet weiß, dass sein Vater gestorben ist; er weiß nicht, dass er ermordet wurde. Hamlet anerkennt seinen Onkel als neuen König, er glaubt nicht, dass er ein Mörder ist. Er weiß, dass er den Geist gesehen hat; was der Geist ihm anvertraut, hatte er nicht gewusst. 7. Alles verkehrt sich nun ins Gegenteil: Der Tod in der Gestalt seines Va- ters wird sein Vertrauter, das Leben am Hof wird ihm fremd. Während ihm sein Heim unheimlich wird, vertraut er zunehmend dem Unheimli- chen. Der Todesbote fordert ihn auf, das Leben argwöhnisch zu betrach- ten, nicht aber die Tatsache, dass ein Toter redet. Die Stimme aus dem Totenreich zwingt Hamlet zu einer veränderten Haltung dem Tod ge- genüber. Der Geist scheint Hamlet zumindest optisch und akustisch mit seinem Vater identisch zu sein; die Erscheinung erscheint als glaubwür- dig. Aber er ist sich zugleich sicher, dass sein Vater nicht mehr lebt. Tat- sächlich trägt Hamlet noch die schwarze Trauerkleidung. 8. Die Entscheidung wiegt deshalb so schwer, weil es um einen Mordauf- trag geht. Als Mord an einem König hätte die Tat weitreichende, nicht absehbare politische Konsequenzen. Immerhin wäre der Mord als Ra- cheakt legitimiert – allerdings nur aufgrund derAussage des Geistes, der